Harald lässt den Hammer liegen

und packt sein Pausenbrot aus. ‚Käse‘, murmelt er vor sich hin. ‚Guten Appetit‘, sagt sein Kumpel Marten. Einen Tag später: Harald lässt den Hammer liegen und packt sein Pausenbrot aus. ‚Wieder Käse‘, brummt er. ‚Guten Appetit‘, sagt sein Kumpel Marten. Dritter Tag: Harald lässt den Hammer liegen und packt sein Pausenbrot aus. ‚Schon wieder Käse!‘, brüllt er und wirft sein Brot auf den Tisch. Marten greift ein: ‚Sag‘ mal, kannst du deiner Frau nicht mal sagen, dass sie dir was anderes auf’s Brot tun soll?‘ Harald guckt Marten entgeistert an: ‚Ich hab‘ keine Frau, ich mach das selber.‘

Wir leben in der Fastenzeit. Sie lädt uns ein, über unsere Gewohnheiten nachzudenken. Unsere persönlichen Riten oder Ticks sind ja manchmal Jahre alt, oft gut einstudiert, gut gepflegt und daher eben gewohnt: Sie wohnen in uns, wir wohnen in ihnen und das gibt Sicherheit. Aber manche Gewohnheiten werden eben auch zur Last wie der Käse auf Haralds Brot. Sie machen uns den Alltag madig und lassen uns die Freude und Dankbarkeit für das Leben verlieren.

Eigentlich braucht es nicht viel, das zu ändern, und doch scheint der Weg dahin oft weit. Wenn Gewohnheiten uns nicht mehr zum Leben helfen, dann ist es Zeit zu fragen, was sich ändern muss. Die Fastenzeit lädt uns ein, über unsere Gewohnheiten nachzudenken und Neues auszuprobieren. Das muss nicht immer heißen, dass ich auf etwas verzichte. Ich kann diese Zeit ja auch als Einladung verstehen, Neues auszuprobieren. Zum Beispiel:

7 Wochen einen gütigen Blick auf mich selbst einüben, mich nicht immer gleich kritisch sehen und unzufrieden werden über mein Aussehen, meine Schwächen, sondern bewusst das Positive an mir wahrnehmen.

7 Wochen Unbekannte freundlich grüßen, Menschen unterwegs in der Stadt, auf der Straße oder im Bus, auch wenn ich nicht zurück gegrüßt werde und gespannt sein auf die Reaktionen meiner Mitmenschen.

7 Wochen 10 Minuten Stille am Tag, mich nicht damit abfinden, dass ich rastlos durch die Stunden des Tages ziehe, mittendrin aus dem Getriebensein und der Atemlosigkeit kommen und sehen, was wirklich wichtig ist.

7 Wochen sagen, was ich denke. Eine harte Nuss: ehrlich meine Meinung sagen, mich nicht verstecken, wenn mir etwas gegen den Strich geht, mich nicht verstellen und verbiegen lassen, sondern Mut zu meiner Meinung haben.

7 Wochen jeden Tag jemanden zum Lachen bringen, einmal am Tag jemandem ein Lächeln ins Gesicht zaubern oder jemanden zum Lachen bringen, meine Phantasie spielen lassen, Ungewöhnliches ausprobieren

Vielleicht haben Sie ja auch eine zündende Idee, wie Sie diese Wochen nach Aschermittwoch angehen wollen. Christian Morgenstern, der große Dichter, hat einmal gesagt: Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden zu neuem Leben ein.‘
Es muss ja nicht gleich ein ganz neues Leben werden, sondern könnte ein Versuch sein: ein überschaubarer Zeitraum, nicht gleich für immer. Ein paar Wochen ausprobieren, wie es wäre, dieses andere Leben. Fasten kann dann auch bedeuten, sich selbst etwas Gutes zu tun, dem eigenen Leben mehr Tiefe zu geben.
Übrigens: Anregungen dazu  finden sich auch im Buch der Bücher. Es lohnt sich, einmal in einem der Evangelien die Geschichten vor Jesu Leidensweg und Auferstehung zu lesen, nicht erst am Gründonnerstag mit dem letzten Abendmahl oder am Karfreitag einzusetzen. Sondern teilzunehmen, wie unkonventionell Jesus immer wieder Menschen einlädt, aus unguten Gewohnheiten auszubrechen und stattdessen bewusster, sinnvoller zu leben. Diese Geschichten erinnern uns, dass auch wir 'nicht so fortzuleben brauchen, wie wir gestern gelebt haben.'

Wenn man sich darauf einlässt, dann kann selbst Haralds morgendliches Pausenbrot zu einer köstlich belegten Stulle werden und das jeden Tag neu.

Sieghard Flömer

ANGEDACHT 2017

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