Stellungnahme des Superintendenten für Demokratie und gegen Extremismus

Es ist an der Zeit, aus der schweigenden Mehrheit hinauszutreten an die Öffentlichkeit. Es ist an der Zeit die eigene Überzeugung laut zu sagen und nicht immer nur davon auszugehen, dass alle dieselbe Überzeugung haben. Jetzt, wo sich die Grundsätze verschieben, wo Ausgrenzung stattfinden soll. Jetzt, wo das, was lange selbstverständlich war, in Frage gestellt wird.

Ich bin überzeugt: Die offene Demokratie ist die beste Möglichkeit für ein gutes Zusammenleben hier bei uns. Mit der Würde jedes Menschen als Kern unserer gemeinsamen Überzeugungen, der Würde vollkommen unabhängig von der eigenen Leistungsfähigkeit. Mit dem Schutz der persönlichen Einstellungen, der Lebensart, der Religion, wenn damit die anderen nicht gefährdet werden. Mit dem Diskriminierungsverbot. Mit den freien Wahlen, mit der Gewaltenteilung, mit dem Gewaltmonopol des Staates. Kurz: Mit der Möglichkeit, selbst meinen Weg zu bestimmen und zu gehen. In Respekt vor anderen und respektiert von anderen.

Wir leben so. Ich lebe gerne so, auch und gerade in der Vielfalt, die sich daraus ergibt. Wir können uns auf der Basis der Menschenwürde entfalten. Ich selber und viele andere haben davon profitiert und profitieren davon. Menschen, die hier geboren sind, Menschen, die selber oder deren Familien zugezogen sind und die hier leben.

Diese Grundüberzeugung hält uns zusammen. Aber sie versteht sich nicht von selbst. Wenn niemand sie vertritt, dann verschwindet sie. Damit verschwindet das, was uns zusammenhält. Deshalb gab es in Herford die große Demonstration mit über 3000 Menschen auf dem Rathausplatz. Deshalb machen sich überall Menschen auf und bekunden ihre Überzeugung öffentlich. Wir treten heraus aus der schweigenden Mehrheit und sagen, dass uns das wichtig ist. Die Würde jedes Menschen ist die Grundlage für unsere Gesellschaft. Es kommt darauf an, die Würde umzusetzen, den Respekt vor anderen zu leben in dem, was ich tue und was ich will. Jeden Tag, im Kleinen wie im Großen.

Starke Verbindungslinien kommen aus der biblischen Tradition. Menschenwürde biblisch das ist Gottesebenbildlichkeit. Jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes, sagt schon das Alte Testament. Spuren des Schöpfers finden sich in jedem und jeder von uns. Wenn ich jemand anderem entgegentrete, begegne ich einem Geschöpf Gottes. Wie ich ein Geschöpf bin, sind die anderen Geschöpfe Gottes, unabhängig davon, ob sie dieselbe Religion haben wie ich oder auch gar keine. Deshalb verdienen sie Respekt.

Den Respekt muss ich aufbringen und sollte ihn einfordern. Die Vielfalt leben, sich gegenseitig aushalten, ist nötig, damit es hier bei uns insgesamt funktioniert. Es ist leicht, mit Gleichgesinnten zu harmonieren. Es ist schwer, die zu ertragen, die anders sind. Wenn wir weiter in unserer offenen Demokratie leben wollen, müssen wir für die Offenheit eintreten und müssen uns gegenseitig aushalten. In aller Unterschiedlichkeit, in aller Gegensätzlichkeit, über die Abneigung hinweg, Verständnis suchend, einander in Diskussion stellend, in gegenseitiger Herausforderung. Schweigend zustimmen allein genügt nicht mehr! Respekt leben und einfordern – da, wo wir sind: in der Kirchengemeinde, in der Stadt, in der Kita, an der Schule, unter Freunden. Ausgrenzung fängt klein an und hat große Wirkung. Die Jahreslosung 2024 bringt es für uns fromme Leute auf den Punkt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“

 

Superintendent Dr. Olaf Reinmuth // Hansastraße 60 // 32049 Herford