Nur mal angenommen...

Es war wohl eine der bewegendsten Nachrichten der vergangenen Monate: Die 12 Jungen und ihr Trainer, die in Taiwan über 14 Tage in einer Höhle vom Wasser eingeschlossen waren, sind gerettet! Viele Menschen hatten tiefes Mitgefühl mit den Eingeschlossenen und deren Familien, die vor dem Eingang der Höhle Tag und Nacht zwischen Bangen und Hoffen wachten. Die weltbesten Taucher wurden zu ihrer Rettung nach Thailand gebracht und alles Menschenmögliche versucht, die Eingeschlossenen zu befreien.

Bei aller Freude über den guten Ausgang dieser Rettungsaktion habe ich mich gefragt: Nur mal angenommen, die 12 Jungen und ihr Trainer wären anderer Nationalität gewesen, zum Beispiel Nigerianer. Nur mal angenommen, sie seien auf der Flucht vor Boko Haram und ihren Schergen bis zum Mittelmeer gelangt und dort in einem alten, überladenden Boot mit 100 anderen Flüchtlingen in Seenot geraten.

Was wäre gewesen? Hätte die Welt, hätten die Europäer alles in Bewegung gesetzt, diese Jugendlichen zu retten? Wenn man die derzeitige politische und gesellschaftliche Stimmung bei uns und vielen europäischen Nachbarn verfolgt, wohl kaum.

Warum geht uns das Schicksal der 12 Jungen so zu Herzen, aber es scheint uns so viel weniger zu rühren, wenn anderswo junge Menschen im Mittelmeer ertrinken? Warum messen wir mit zweierlei Maß? Taiwan ist weit weg. Wir müssen nicht befürchten, dass die Jugendlichen bei uns Zuflucht suchen. Die Flüchtlinge aber sind nah dran oder könnten uns nahe kommen. Liegt es daran?

'Die Würde des Menschen ist antastbar', sagt der Strafverteidiger Ferdinand von Schirach. Sie wird angetastet. Jeden Tag. Hier bei uns. Und vor den Toren Europas. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass unser Grundgesetz auf christlichen Werten fußt, die unsere Gesellschaft geprägt haben. Um das zu zeigen, werden zum Beispiel in bayerischen Behörden Kreuze aufgehängt. Wie beschämend ist es da, dass wir in Kauf nehmen, dass die gottgegebene Würde des Menschen vor unseren Augen angetastet wird, ohne dass wir aufschreien.

Ich habe keine Lösung für die sogenannte 'Flüchtlingsfrage'. Wohl aber das Gespür, dass wir uns als Land und Gesellschaft zutiefst würdelos und unchristlich verhalten, wenn wir zwar dem fernen Nächsten Mitgefühl entgegenbringen, es aber denen an den europäischen Grenzen verwehren, die es auch ganz konkret brauchen.

Nur mal angenommen, wir würden uns von ihrem Schicksal anrühren lassen und in ihnen die Menschen sehen, deren Würde unantastbar ist. Von christlichen Werten, die unsere Gesellschaft geprägt haben, würde dann (wieder) etwas spürbar. Nur mal angenommen.

Ihr Sieghard Flömer

           
 

ANGEDACHT 2018

Februar Claudia Günther Frühjahrsputz für die Seele!
Mai Rainer Wilmer „Halte deine Träume fest...“
Juni Sieghard Flömer Bin im Garten!
Juli Sieghard Flömer Nur mal angedacht...
September Silke Reinmuth Ganz schön ewig...
November Silke Reinmuth Herbst – November – Winterzeit!
Dezember Rainer Wilmer „Man muss auch mal abwarten können“
Dezember Rainer Wilmer "Die Herren dieser Welt gehen, unser Herr kommt!"