Aufschieberitis

Der Sonntag dieser Woche ist in unserem Kirchenjahr der Taufe gewidmet. In den letzten 1 ½ Jahren konnten coronabedingt Taufen kaum gefeiert werden, da die Familien nicht gerne ohne Geschwister und Freunde ein solches Fest begehen wollten. Unsere Gemeinde hat daher alle Familien angeschrieben, die in den letzten 1 ¾ Jahren ein Kind bekommen haben, das noch nicht getauft wurde, und ihnen Termine angeboten, an denen die Taufe jetzt gefeiert werden könnte. Manchmal geht es eben nicht anders.

An sich aber liegt auf dem Aufschieben kein Segen. Es ist kein Zufall, dass im Evangelium die Worte sofort und unverzüglich oft vorkommen, nicht aber die Unentschlossenheit oder das Zögern. Als Jesus die Jünger beruft, lassen sie z. B. sofort ihre Netze liegen.

Eine Legende erzählt von drei Teufelslehrlingen, die auf die Erde gehen sollen, um Menschen zu gewinnen. Sie stellen ihre Pläne Satan, dem Oberteufel vor. Der erste plant die Menschen von der Nichtexistenz Gottes zu überzeugen, der zweite will ihnen die Folgelosigkeit eines bösen Lebens vermitteln. Beiden prognostiziert Satan keinen Erfolg.

Der dritte aber will ihnen einreden, dass man alles aufschieben könne, das es nichts gebe, was hier und jetzt getan werden muss. Ihn lobt der Oberteufel, denn er werde großen Erfolg haben.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem jüngsten Urteil den Gesetzgeber verpflichtet, wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel nicht auf später zu verschieben. Wir müssen jetzt beginnen und dürfen die notwendigen Veränderungen in Wirtschaft, Verkehr und in der Infrastruktur nicht allein den kommenden Generationen aufbürden. Aber nicht nur der politische Bereich ist von Aufschieberitis betroffen, wir begegnen ihm überall. Ein Indiz ist das Wort: eigentlich.

Und doch: wir sind der Aufschieberitis nicht ausgeliefert. Man kann anfangen und indem man den Weg der Veränderung geht, wird man merken, wie der innere Widerstand weichen wird. Erich Kästner formulierte es so: es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Ihr Pfarrer Rainer Wilmer

ANGEDACHT 2021

März Sieghard Flömer Pessimist und Optimist
Juni Alexandra Hinsel Segensmomente
Juli Rainer Wilmer Aufschieberitis
Dezember Silke Reinmuth Was die Verbindung hält