Pessimist und Optimist

Die Eltern von eineiigen Zwillingen machten einmal einen interessanten Test: An einem Geburtstag gaben sie ihren Kindern – eines war Pessimist, das andere Optimist – ihre Geschenke in verschiedenen Zimmern. Das pessimistische Kind bekam das beste Spielzeug, das die Eltern finden konnten. Dem optimistischen Kind schenkten sie eine Kiste voller Pferdemist. Voller Neugier warteten die Eltern auf die Reaktionen der Zwillinge. Das pessimistische Kind schimpfte: ‚Dieses Spielzeug hat eine hässliche Farbe. Damit spiele ich nicht!‘ Im anderen Zimmer warf das optimistische Kind den Pferdemist lachend in die Luft und rief: ‚Ihr könnt mich nicht reinlegen! Wenn hier so viel Mist ist, gibt es auch irgendwo ein Pony.‘

Es ist nicht schwer, in Zeiten wie diesen, ein Pessimist zu werden oder sich Sorgen um die Zukunft zu machen. Doch Sorge kann alle Lebensenergie rauben: Dann, wenn sie mich nicht mehr los lässt und mich nicht mehr die schönen Seiten des Lebens sehen lässt, die mein Herz mit Freude füllen können. Sorge zählt zu den Hauptauslösern von Depressionen und zahlreichen anderen psychosomatischen Beschwerden.

Dabei belegen psychologische Untersuchungen, dass ca. 30% von dem, was wir befürchten, nie passieren wird. Zusätzliche 30 % sind bereits geschehen, 12 % haben mit unbegründeten gesundheitlichen Ängsten zu tun und 20 % kreisen um die normalen kleinen Widrigkeiten des Alltags. Es bleiben also nur 8 % übrig. - Das heißt, für 92 % der Sorgen, denen wir nachhängen, gibt es gar keinen Grund!

Trotzdem scheinen die Sorgen unsere Gedanken ja magisch anzuziehen.

Wie können wir also den kreisenden Gedanken entkommen?

Die Geschichte von den zwei ungleichen Zwillingen zeigt eine Antwort auf: Das Geheimnis liegt in der richtigen inneren Einstellung und in der Perspektive. Einstellungen sind wie Gewohnheiten, die wir uns angeeignet haben. Und Gewohnheiten sind veränderbar.

Das hört sich leichter an, als es im Alltag oft ist. Und jetzt, in der Fastenzeit, mag der eine oder die andere die Erfahrung machen, wie mühsam es ist, Gewohnheiten zu verändern. Aber wir machen auch die Erfahrung, dass es gelingt, wenn wir erst einmal den inneren Pessimisten überwinden und einfach anfangen.

Im 1. Petrusbrief findet sich aber noch eine weitere Antwort: „All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch“ (1. Petrus 5, 7). Es gibt sie ja, die begründete Sorge. Und der Autor empfiehlt der christlichen Gemeinde hier ein einfaches Rezept. Die Sorge wegwerfen! Auf Gott! Nicht (nur), weil 92 % unbegründet sind. Sondern weil für uns gesorgt ist. Wir sind gesehen mit dem, was uns umtreibt und das Herz schwer macht. Unser Weg ist begleitet durch alle freudigen und sorgenvollen Zeiten. In diesem Vertrauen in die auf uns zukommenden Monate zu gehen, braucht auch Einübung.

Die Sorge auf Gott werfen. Das hört sich auch merkwürdig an. Aber versuchen Sie es bewusst einmal: Das kann in einem Gebet geschehen oder im Gespräch mit einem vertrauten Menschen. Das kann unterwegs zu Fuß oder mit dem Rad in der Natur sein, um den Kopf frei zu kriegen. Das kann in einer offenen Kirche sein, wo ich der Musik lausche und eine Kerze anzünden. … Und sich dann erinnern: für mich ist gesorgt. Ich bin in guten Händen geborgen. Mag sein, dass ich das nicht immer spüre. Aber das ändert nichts an dieser Zusage. Christian Morgenstern, der große Dichter, hat einmal gesagt: Wir brauchen nicht so fortzuleben, wie wir gestern gelebt haben. Macht euch nur von dieser Anschauung los, und tausend Möglichkeiten laden zu neuem Leben ein. Da spricht einer, der weiß, dass für ihn gesorgt ist. Ein Versuch, so zu leben, ist es wert.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Fasten- und Osterzeit!

Ihr Sieghard Flömer 

ANGEDACHT 2021

März Sieghard Flömer Pessimist und Optimist
Juni Alexandra Hinsel Segensmomente
Juli Rainer Wilmer Aufschieberitis
Dezember Silke Reinmuth Was die Verbindung hält